Liebe Gönnerinnen, Liebe Gönner
Ich hoffe, dass es Ihnen Allen gut geht.
Es sind nun schon vier Monate her, seit ich Bassam und unser Center verlassen habe. Es fängt an, weniger zu schmerzen. Das Hirn sagt, es ist alles gut, aber es spürt nicht, was das Herz fühlt. Das Herz und die Seele, zwei mir lebenswichtige Organe, die mir immer halfen, in schweren Fällen zu entscheiden. Niemals ein sterbendes Kind, ein sterbender Mensch abzuweisen, auch wenn die Intelligenz sagte, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Es gibt immer Hoffnung, sei es auch nur in Liebe begleitet zu werden auf dem letzten Weg.
Und nun, nach vier Monaten, muss ich sagen, dass ich für einmal nicht nur meinem Herz gefolgt bin, sondern auch meinem Verstand. Das fortgeschrittene Alter und die angeschlagene Gesundheit befahlen mir gute Nachfolgerinnen zu finden. Frauen, die mein Herz verstehen, Frauen, die feinfühlig sind und viel Empathie besitzen. Und wir haben sie gefunden. Barbara (sie hat diesen Trimester Brief geschrieben) und Llum passen genau in unsere Welt, in unsere Oase. Und vor Allem was mich sehr glücklich macht, sie geben mir Bescheid, immer wieder erhalte ich Fotos, Briefe, Mails und sogar kleine Videos von Menschen, die ich sehr liebe. Und sie fragen mich um Rat, immer wieder, und das macht mich unglaublich dankbar, denn irgendwie gehöre ich immer noch dazu. Und auch hatte ich grosse Angst, dass die Spender nicht mehr helfen würden. Ich bin überaus dankbar, dass Sie, liebe Gönnerinnen, liebe Gönner, weiter mithelfen, und danke Ihnen aus ganzem Herzen dafür. Unser Projekt muss weiterleben, damit Mütter, Kinder, Väter leben dürfen, damit unsere Angestellten keine Angst haben müssen, keinen Lohn mehr zu erhalten, was ihr ganzes Leben umkrempeln würde und ihre Familie in grosse Armut stürzen könnte.
Ihre Hilfe ist für Alle ein Segen.
Bald werde ich unser gemeinsames Herzenswerk besuchen, und mein Herz ist fröhlich und glücklich. Auch Aziz freut sich sehr darauf. Er ist fast täglich in Kontakt mit dem verantwortlichen technischen Leiter. Aber auch er freut sich, Afrika wieder zu spüren, zu riechen, zu erfassen und alle die fröhlichen Gesichter wieder zu sehen. Wir sind voller sehr grosser Dankbarkeit.
Aus tiefstem Herzen Dank, liebe Gönnerinnen, liebe Gönner.
Gott segne Sie und Ihre Grosszügigkeit.
Ich verbleibe mit meinen grössten respektvollsten Grüssen
Ihre
Lotti Latrous
___
Liebe Gönnerinnen, Liebe Gönner
Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Dies ist mein erster Trimester-Brief und das erste Quartal ohne die physische Anwesenheit von Lotti. Ich sage physische Anwesenheit, denn Lotti ist weiterhin da, mit ihrer Unterstützung aus der Ferne und in den Gedanken aller im Centre Espoir. Ich schreibe Ihnen heute, fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem mich diese kleine Dame mit dem gütigen Blick – Lotti – am Flughafen von Abidjan empfangen hat. Trotz aller Informationen, die ich erhalten, und obwohl ich die Website von Anfang bis Ende gelesen hatte, wusste ich damals nicht genau, was mich erwartete. Meine Geschichte mit dem Centre Espoir begann mit tiefen Emotionen, ausgelöst durch die Menschlichkeit und Solidarität, die ich hier vorfand. Ein Jahr später bin ich immer noch glücklich, bewegt und motiviert, gemeinsam mit Llum, unseren Kolleginnen und Kollegen, mit Ihrer Unterstützung und der von Lotti und Aziz, dieses kleine Refugium des Friedens und der Solidarität, dass das Centre Espoir ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Ich möchte diesen Brief mit einem Dank an Lotti beginnen, für ihr Vertrauen und die sanfte, geduldige Art, mit der die Übergabe der Leitung des Centre Espoir erfolgte.
In diesem ersten Brief möchte ich zwei Geschichten mit Ihnen teilen, von Menschen, die seit meiner Ankunft hier mit dem Centre Espoir verbunden sind. Die erste ist die Geschichte von Ingrid*, ihrer Mutter und ihrem Baby. Die zweite handelt von unseren jüngsten kleinen Bewohnern, den Brüdern Estefan* und Daniel*, und ihrer Mutter Margarete*.
Die Geschichte von Ingrid:
An einem Dienstagabend, kurz bevor das Sozialbüro schliessen wollte, kam eine Frau zu mir, sichtlich besorgt, erschöpft, und in Tränen aufgelöst. Ohne Luft zu holen, erzählte sie mir, dass ihre 17-jährige Tochter Ingrid, verheiratet in Mali, von ihrem Mann verlassen worden war und zur Entbindung nach Hause zurückgekehrt sei. Die Mutter hatte ihr gesamtes Geld zusammengekratzt, sich von Verwandten etwas geliehen und konnte so den Kaiserschnitt für ihre Tochter bezahlen. Mutter und Baby – ein kleines Mädchen – kamen nach Hause, doch schon bald bekam Ingrid hohes Fieber. Es stellte sich heraus, dass sie an einer Bauchfellentzündung litt, verursacht durch eine infizierte Operationswunde. Die Mutter bat erneut um Hilfe in der Familie und konnte das Geld für eine zweite Operation aufbringen. Doch kurz nach dem Eingriff entzündete sich die Wunde wieder, und sie musste ein drittes Mal operiert werden. Als die Mutter schliesslich zu uns ins Centre Espoir kam, waren ihre eigenen Mittel und die ihrer Familie völlig erschöpft. Ingrid lag auf der Intensivstation des Universitätskrankenhauses, wieder mit Fieber. Die Infektion hatte sich zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung entwickelt. Nur teure Antibiotika hätten ihr vielleicht helfen können, doch das Geld dafür fehlte. Die Grossmutter von Ingrid kannte uns bereits. Sie war selbst einige Monate zuvor im Centre Espoir behandelt worden. Sie schämte sich, erneut um Hilfe zu bitten, doch diesmal ging es um das Leben ihrer Tochter und ihrer Enkelin. In den Händen hielt sie ein Rezept für die lebenswichtigen Antibiotika, die in der Elfenbeinküste für viele Menschen unbezahlbar sind. Unser Chefarzt, Dr. N’da, bestätigte die Dringlichkeit. Wir entschieden sofort, die Medikamente zu finanzieren, um Ingrid eine Überlebenschance zu geben. In den folgenden Tagen kam die Mutter immer wieder mit neuen Rezepten und Quittungen vorbei. Ingrid hatte weiter Fieber, doch allmählich, dank der Antibiotika, begann sie sich zu erholen, bis sie schliesslich aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte – geheilt. Einen Monat später, wieder an einem Dienstagabend, kamen drei Frauen ins Centre Espoir, die Grossmutter, Ingrid und ihr Baby. Alle drei strahlten vor Freude und Gesundheit. Sie waren gekommen, um uns – und Ihnen – Danke zu sagen. Danke für das Leben von Ingrid.

Dr. N’da mit Ingrid, ihrer Mutter und Tochter
Die Geschichte der Brüder Estefan und Daniel:
An einem Freitagmorgen, einem sonst eher ruhigen Tag, kam eine sehr kranke Frau mit zwei kleinen Jungen ins Sozialbüro. Der ältere, Estefan, war 12 Jahre alt, der kleine Daniel gerade erst 2-jährig. Die Mutter war so schwach, dass unsere Kollegen sie sofort in einen Rollstuhl setzten. Sie konnte kaum sprechen. Estefan sprach für sie. Er erklärte, dass seine Mutter ihn als Kinderbetreuung bei einer Familie arbeiten liess, um das Schulgeld zu bezahlen. Doch vor drei Wochen hatte sie ihn zurückgeholt, weil sie zu krank war, um sich um Daniel zu kümmern. Seitdem hatte Estefan sich um seine kleine Familie gekümmert. Er pflegte seine Mutter, kochte, versorgte Daniel. Doch als der Zustand der Mutter sich verschlechterte, nahm er all seinen Mut und das wenige Geld, das sie noch hatten und brachte sie ins Krankenhaus von Grand-Bassam. Da in der Elfenbeinküste für medizinische Versorgung selbst bezahlt werden muss, verwies das Krankenhaus sie an uns. Sie hatten kein Geld mehr, nur gerade mal noch für den Transport. Nach einer Untersuchung und Tests stellten unsere Ärzte fest, dass die Mutter stationär behandelt werden musste. Wir brachten sie ins Krankenhaus von Bassam und übergaben einen finanziellen Beitrag, damit sie aufgenommen wurde. Ich fragte Estefan, ob es einen Vater gebe. „Ja, aber er ist gestorben“, sagte er. „Und andere Verwandte?“ „Nein.“ Wir gaben ihm zusätzlich etwas Geld, erklärten ihm, wie er das Centre Espoir erreichen könne, falls Probleme auftauchten. Schweren Herzens sahen wir den beiden Jungen und ihrer Mutter nach, als sie in ein Taxi stiegen. Doch unsere Sorge liess uns nicht los. Gemeinsam mit Dr. N’da und unserem Sozialarbeiter Pierre überlegten wir, was zu tun sei. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir diese Kinder und ihre Mutter nicht einfach ihrem Schicksal überlassen konnten. Wir beschlossen, Estefan und Daniel im Centre Espoir aufzunehmen, solange ihre Mutter behandelt wurde. Noch in derselben Nacht holten Pierre und unser Fahrer Issouf die beiden ab – erschöpft, hungrig und müde. Da wir fast sicher waren, dass die Mutter an fortgeschrittener Tuberkulose litt, mussten wir die Kinder zunächst in Quarantäne aufnehmen, bis Tests vorlagen. Estefan zeigte grossen Mut, blieb ruhig und kümmerte sich liebevoll um Daniel. Unsere Pflegerin, ‘Mama Adrienne’, badete sie, gab ihnen zu essen, saubere Kleidung, Trost und Sicherheit. Natürlich alles unter den nötigen Schutzmassnahmen. Fünf lange Tage blieben sie in Isolation, während Ärzte und Pflegende Untersuchungen machten. Estefan malte, las, spielte mit Daniel, und Daniel – immer hungrig – ass fleissig und nahm brav seine Medikamente. Schon bald stellte sich heraus, warum er so schwach war, er hatte im Mutterleib die HIV-Infektion seiner Mutter geerbt.

Die beiden Brüder während der fünf Tage Isolation.
Während dieser Tage fragte Estefan mich, ob seine Mutter nach ihrer Genesung auch bei uns leben könne „denn zu Hause gibt es keinen Strom, kein Wasser, und das Dach tropft“. Unsere Sozialarbeiter bemühten sich unterdessen, Verwandte zu finden und die Mutter in eine spezialisierte Tuberkuloseklinik zu bringen. Es gelang uns erst nach acht Tagen und mehreren Versuchen, Margarete ins Krankenhaus einzuliefern. Das Gesundheitssystem hier ist nicht auf arme und alleinstehende Menschen ausgerichtet. Trotz unserer Zusage, die Kosten zu übernehmen, weigerten sich die Krankenhäuser, diese schwerkranke Mutter ohne Begleitperson aufzunehmen. Deshalb stellten wir schliesslich eine Pflegebegleitung, Herrn Yves Laurent, ein, der sie einen Monat lang betreute und den Kontakt zu uns hielt. Mehrmals konnten Estefan und Daniel über Video mit ihrer Mutter sprechen. Doch nach vier Wochen verschlechterte sich Margarete’s Zustand rapide und sie verstarb. Sie ist gestorben, aber wir und ihre Söhne wissen, dass sie nicht allein gestorben ist. Wir haben alles getan, um ihr eine Chance auf Leben zu ermöglichen. Und nun ist das Centre Espoir zur neuen Familie von Estefan und Daniel geworden. Besonders die Kinder von Loaziz haben geholfen, dass sie sich geborgen fühlen. Estefan besucht nun die Schule, ohne dafür arbeiten zu müssen. Daniel isst weiterhin mit grossem Appetit, nimmt seine Medikamente gewissenhaft und fängt an zu sprechen – zur Freude der ganzen grossen Familie des Centre Espoir.

Estefan in der Schuluniform vor seiner Schule

Daniel auf dem Rücken von Maman Arlette
Dank Ihnen und Ihren Spenden konnten wir das Leben von Ingrid, ihrer Mutter und ihrem Baby sowie von Estefan, Daniel und Margarete verändern – und von vielen weiteren Menschen, deren Geschichten wir nicht alle erzählen können.
Ich danke Ihnen persönlich dafür: Es ist eine grosse Freude, diese Arbeit tun zu dürfen.
Und ich danke Ihnen im Namen all jener, die davon profitieren, und das sind viele.
Herzliche Grüsse,
Barbara
*Name wurde geändert